VW
- Ralf Müller
- Mar 30, 2023
- 7 min read
Updated: Jun 13, 2023
Die Großzahl der Geschäftsprozesse ist heute bei SAP abbildbar. Es ändern sich allerdings immer schneller die Anforderungen an die Unternehmenssoftware.
Nach der Finanzbuchhaltung und der Logistik, fügte man noch die Personalbuchhaltung hinzu. Sodann wuchsen die Ansprüche des Managements hinsichtlich der Auswertungsmöglichkeiten, es folgte SAP Analytics. All dies wurde in einer Art und Weise implementiert, dass man jede Auswertung bis auf einzelne Vorgänge in die Logistik und einzelne Buchungen in der Finanzbuchhaltungen zurückverfolgen kann. So, wie es ja eigentlich auch sein sollte.
Gleichzeitig zu den gestiegenen inhaltlichen Anforderungen wuchs der Wunsch, nicht nur auf eine zentrale Datenbank zuzugreifen, sondern überall in der Welt über das Internet oder auch über ein firmeneigenes Intranet auf die kritischen Informationen zugreifen zu können.
Na, und in den vergangenen Jahren kam sodann natürlich der Wunsch auf, dazu nicht mehr den Windows-Rechner verwenden zu müssen, auch Apple- und Linux-Rechner finden immer stärkere Verbreitung. Und auch Touchpads und Smartphones befinden sich inzwischen im normalen Gepäck des Managements und somit muss nun auch der Zugriff auf die aktuellen Daten über das Mobilfunknetz möglich sein. Alles natürlich ohne Abstriche in Sachen Aktualität und Sicherheit.
Aktualität, ja, das ist die jüngste Entwicklung: Echtzeit soll inzwischen Echtzeit heißen - nicht die Daten bis zum gestrigen Tag sind interessant, sondern die Daten bis zum Augenblick der Auswertung. Und diese Auswertung soll dennoch nicht ein paar Minuten in Anspruch nehmen, sondern möglichst sofort verfügbar sein. Überall auf der Welt, versteht sich.
So sieht die Infrastruktur von SAP inzwischen eine redundante Datenhaltung auf diversen Servern in der ganzen Welt vor, die wesentliche Daten nicht nur in die Datenbank schreiben, sondern sie auch im Arbeitsspeicher für Auswertungen vorhalten. Gigantische Arbeitsspeicher bei solchen Rechnern sind die Folge.
Heute setzt man sich nun daran, aus den Auswertungen dieser gigantischen Echtzeit-Datenmengen direkte Schlussfolgerungen abzuleiten: Produktverbesserungen, Preisanpassungen, Sicherheitsprobleme, kundenindividuelle Angebote... in einem Joint Venture mit Ericsson werden die Ortungsdaten der Transportflotte verwaltet, per Mobilfunk werden die GPS-Daten in die Cloud übertragen und ausgewertet.
DER WETTBEWERB: AGGRESSIV & FLEXIBEL
Ob nun Oracle mit Larry Ellison an der Spitze oder Salesforce.com mit Mark Benioff- die Konkurrenz lässt keine Gelegenheit aus, um SAP als träges Mutterschiff darzustellen. Den Ansatz von Oracle kennen wir inzwischen: Der Anbieter der Datenbank lässt seinen Kunden viele Freiheiten in der hemdsärmeligen Nutzung seiner Hard- und Software. Das macht den Kunden agiler und flexibler, führt aber nicht selten zu nachgelagerten Problemen.
Salesforce.com ist eine CRM-Software, Customer Relationship Management, also die Abbildung der Kundenbeziehung für den Vertrieb. Bei der ERP-Lösung von SAP (Enterprise Resource Planning – also die vollständige Ressourcenplanung eines Konzerns vom Einkauf über Produktionskapazitäten bis zum Vertrieb, vom verfügbaren Kapital über personelle Konsequenzen, etc.) ist das CRM-Modul eben nur dies: eines von vielen Modulen.
Der Vorteil bei SAP: Das CRM-Modul ist in den Rest der SAP-Software voll integriert. Salesforce.com startete seine Software nicht in der Finanzbuchhaltung oder bei der Datenbank, sondern beim Vertrieb. Dadurch sind die in den USA noch wesentlich höher als in Deutschland angesehenen Vertriebsleute am Drücker, sie definieren die zugrundeliegenden Anforderungen für die Geschäftsprozesse.
Dem deutschen Ingenieur gefällt das natürlich nicht und auch der amerikanische Bit-Mischer lässt sich nur ungern die Datenbankstruktur von einem Verkäufer vorschreiben. Doch wer US-Marketingfolien kennt der weiß, wie Kunden in den USA überzeugt werden. So ist der Erfolg von Salesforce.com gar nicht so überraschend. Das Unternehmen rühmt sich, heute schon mehr CRM-Kunden zu haben als SAP. Salesforce.com nutzt sogar SAP als Datenbasis.
Salesforce.com nimmt hier also SAP ein Stückchen des großen Kuchens weg, doch in meinen Augen ist das Kerngeschäft von SAP nicht bedroht. Oracle hat sich über Jahrzehnte seine Kunden gesucht, Gründer Larry Ellison lenkt das Schiff noch immer konsequent durch konjunkturelle Wellen. Doch mit hemdsärmeligen Lösungen wird ein Nachfolger Ellisons Probleme bekommen. SAP ist in meinen Augen daher klar besser positioniert.
ERST STEIGT DAS BEWERTUNGSNIVEAU, DANN DER GEWINN
Für 9% Umsatzwachstum ist das KGV 2013e von 16 günstig. Wenn wir uns das Gewinnwachstum anschauen, dann wird es noch besser: Im laufenden Jahr drückt die Investitionszurückhaltung insbesondere hier in Europa den Gewinn auf ein Wachstum von nur 4%, im kommenden Jahr wird jedoch dann ein überproportionales Wachstum von 15% erwartet. Der Konzern ist netto-schuldenfrei und erwirtschaftet rund 3 Mrd. Euro Nettoliquidität pro Jahr. Die Dividendenrendite von derzeit 1,7% ist für ein Wachstumsunternehmen in Ordnung.
Für SAP halte ich ein KGV von 20 für gerechtfertigt. Das wäre bei Zielerreichung im laufenden Jahr 25% über dem heutigen Niveau, also bei einem Kurs von 68,00 Euro.
Wir befinden uns in der Bodenbildung einer Konjunkturschwäche, für das gerade angelaufene zweite Halbjahr wird eine langsame Konjunkturerholung erwartet. In den USA, dem neben Europa wichtigsten Markt von SAP, läuft die Konjunkturerholung schon an und SAP merkt dies bereits bei den Bestellungen.
In einer Börsenbaisse werden Aktien so lange ausverkauft, bis deren Kursniveau im Verhältnis zum Buchwert vernünftig aussieht. Man geht vom schlimmsten Fall aus und zahlt nicht mehr für das Unternehmen, als bei einer Liquidation gegebenenfalls zu erzielen wäre. Das KGV ist in einem solchen Umfeld extrem niedrig, bei SAP stand das KGV im Jahr der Euro-Schuldenkrise bei nur noch 9.
Ist das Ende der Krise in Sicht, wie es derzeit den Anschein hat, dann steigt zunächst das KGV wieder auf ein vernünftiges Niveau. Ich denke, diese Phase dürfte bis Anfang nächsten Jahres laufen. Anschließend muss dann der Gewinn steigen, um das nunmehr hohe Bewertungsniveau zu rechtfertigen. Der Kurs wird dann parallel zur Gewinnverbesserung ansteigen.
FAZIT: HIGH-END VOM MARKTFÜHRER ZU FAIREM PREIS
Die Produkte von SAP sind High-End. Wenn sie auch etwas umständlicher zu implementieren sind als die der Konkurrenz, so wird das Unternehmen anschließend mit einem soliden Geschäftsmodell belohnt. Die Flexibilität für Marktveränderungen holen sich einige Unternehmen bei der Konkurrenz wie Salesforce.com, das beeinträchtigt das Kerngeschäft von SAP aber nur zu einem geringen Teil.
In Krisenzeiten werden Investitionsbudgets als erstes gestrichen und Softwarekäufe sind immer Investitionen, die man gerne um ein oder zwei Jahre - bis nach der Krise - verschieben kann. SAP befindet sich nun vor dem nächsten Wachstumsschub. Die Aktie hat bereits einen Teil des erwarteten Wachstums vorweg genommen, ich erwarte jedoch einen weiteren Anstieg auf 68,00 Euro bis Anfang 2014.
Wer ein günstig bewertetes Wachstumsunternehmen ins Portfolio holen möchte, der ist mit SAP gut beraten. Insbesondere nach dem jüngsten Kursrücksetzer von 65,00 Euro Mitte Mai auf aktuell 54,70 Euro ist eine Chance, nochmals günstig zuzufassen. Sollte es zu einer schnellen Gegenbewegung über 60,00 Euro kommen, so würde ich die Gewinne mitnehmen, da ein weiterer Kursanstieg gute Quartalszahlen benötigt, und die erwarte ich erst Anfang nächsten Jahres.
Ich habe FlatexDeGiro aus unserem Portfolio mit Hannes Wolf verglichen: Mit 15 Jahren ist auch FlatexDeGiro noch sehr jung. Die extrem hohe Geschwindigkeit findet im Erfüllen der Rule of 40 ihren Ausdruck: Umsatzwachstum und Gewinnmarge ergeben in der Summe 48,5 und liegen damit deutlich über der Schwelle von 40, mit der Wachstumsunternehmen ihre hohe Investitionen rechtfertigen können.
So kommt FlatexDeGiro auf ein erwartetes Umsatz- und Gewinnwachstum für die kommenden vier Jahre von 10-11% p.a. Allerdings wird der Cashflow zu einem großen Teil in die Entwicklung der entsprechenden Software investiert, die CAPEX 2017-2022 lag bei durchschnittlich 9%. Zusätzlich wird das Management über aktienbasierte Kompensationen an der Entwicklung des Unternehmens beteiligt. Das ist durchaus üblich, wenn wir uns entsprechend schnell wachsende Tech-Unternehmen aus den USA anschauen. Neben den Investitionen in das Wachstum bleibt kein Spielraum mehr für eine Dividende, defensiv ist Flatex damit eher schwach aufgestellt, wie der Kursverlauf des abgelaufenen Jahres deutlich zeigt.
Bits & PiecesEdition #124 | KW 19 Lieber online einkaufen oder doch beim Händler um die Ecke? Dank Shopify klappt digitales Einkaufen vielleicht sogar bald beim Asia-Shop von nebenan. Vielen Anlegenden könnte etwas mehr Vielfalt in ihrem Warenkorb auf jeden Fall guttun. Da stimmt garantiert auch der ETF-Papst Gerd Kommer zu. Jetzt bestellen aber erst mal alle Zinssenkungen. Ob die geliefert werden? Wer weiß? Koji Sato macht vorsichtshalber schon mal die Autos klar. Elf Millionen Toyotas sollten reichen, oder?
GEKAUFT
5. Texas Instruments VERKAUFT
5. AdidasHinweis: Die Angaben beziehen sich auf das Verhältnis von Käufen und Verkäufen der 100 meistgehandelten Aktien im Scalable Broker zwischen dem 05.05.2023 und 11.05.2023 Wachstum im WarenkorbShopify sorgt dafür, dass auch kleine Händler einen Online-Shop anbieten können, der nicht wie Ebay im Jahr 1995 aussieht. Erst letzte Woche konnte das kanadische Unternehmen für E-Commerce-Software mit überraschend starken Quartalszahlen punkten – unter anderem stieg der Umsatz um ein Viertel auf 1,5 Milliarden US-Dollar (ca. 1,4 Milliarden Euro). Profitabel ist das Wachstumsunternehmen weiterhin nicht. Nun hat Shopify zwei Ankündigungen im Angebot. Zum einen werden 2.300 Stellen gestrichen – das ist ein Fünftel der Beschäftigten. Zum anderen stellt Shopify seine Logistiksparte Deliverr ins Schaufenster. Den Kurssprung, der auf diese Nachrichten folgte, nutzten einige Anlegende im Scalable Broker möglicherweise, um Gewinne mitzunehmen. Ich persönlich stehe dem Hype um die künstliche Intelligenz skeptisch gegenüber. Ich denke, dass die altmodische Intelligenz ziemlich gut funktioniert. Charlie Munger, stellvertretender Verwaltungsratsvorsitzender von Berkshire Hathaway, auf der Hauptversammlung der Holding-Gesellschaft.
Und sie senkt sie doch?Entwarnung beim Thema Inflation in den USA – zumindest ein bisschen. Die Inflationsrate lag im April bei 4,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat und damit unter den erwarteten 5,0 Prozent. Dieser Wert stand noch im März zu Buche. Die Märkte hoffen, dass der Trend sinkender Inflationszahlen anhält. Das würde den Druck von der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) nehmen. Die Leitzinsen müssten dann nicht weiter steigen.
Für Ende 2023 preisen die Märkte sogar schon wieder Leitzinssenkungen ein. Zwei Drittel der Marktteilnehmenden erwarten laut CME FedWatchTool um 0,75 oder sogar 1,0 Prozentpunkte niedrigere Leitzinsen. Den Worten von Fed-Chef Jerome Powell, dieses Jahr stünden keine Leitzinssenkungen an, wird offensichtlich kein Glauben geschenkt. Laut Martin Lück, Leiter Kapitalmarktstrategie bei BlackRock, könnten wirtschaftliche Turbulenzen im zweiten Halbjahr dazu führen, dass Powell sein Versprechen kassieren muss. Keine schlechten Aussichten für Aktien: Sinkende Leitzinsen würden neu emittierte Anleihen im Vergleich zu Unternehmensbeteiligungen weniger attraktiv machen.
Am vergangenen Freitag deutete sich schon ein Stimmungswandel an. Die Märkte reagierten positiv auf die überraschend starken US-Arbeitsmarktdaten. In den vergangenen Monaten hatten starke Arbeitsmarktdaten dagegen stets die Sorge vor einer weiter anziehenden Inflation bekräftigt und die Kapitalmärkte auf Talfahrt geschickt.
Dass die Angst vor einer Rezession in den USA gegenüber Inflationsängsten wieder in den Vordergrund rückt, zeigt auch der auf -6,5 gesunkene Sentix-Konjunkturindex. Er bildet die Wirtschaftserwartungen von Investierenden ab. In Deutschland fällt der Index mit -9,0 auf einen noch niedrigeren Wert und für den Euroraum geht es sogar bis auf -13,1 bergab.
Comments